In Solarpunk-Städten ist Regen nichts Lästiges, was in die Kanalisation geleitet werden muss, sondern er wird zu einer wertvollen Ressource. Durch Regenwassergewinnung über Dächer und gepflasterte Flächen—oder sogar von Solarmodulen herab—können urbane Gebiete jeden Regenguss in einen Wasserspeicher umleiten. Durch die Installation von Dachrinnen, Fallrohren, Filtersystemen und Speichertanks können Städte Wasser sammeln, das sonst innerhalb von Minuten in der Kanalisation abhanden käme.

Wie es funktioniert: Systeme und Dimensionierung
Bei der Regenwassernutzung wird Niederschlag von Dächern oder Plätzen aufgefangen, über Dachrinnen oder Senken weitergeleitet, gefiltert und in Tanks oder Zisternen gespeichert. Das gesammelte Wasser kann dann für die Bewässerung, die Reinigung, oder bei entsprechender Aufbereitung, sogar für Trinkwasserzwecke verwendet werden. Ein 100 m² großes Dach, auf dem jährlich etwa 800 mm Niederschlag fallen (wie z.B. in Mexiko-Stadt[1] oder Rom[2]) könnte jedes Jahr etwa 80 m³ bzw. 80.000 Liter nutzbares Wasser auffangen. Auf ein ganzes Stadtviertel bezogen, entfaltet diese Menge eine transformative Wirkung.
Zu den wesentlichen Bestandteilen solch eines Regenwassernutzungssystems gehören die Auffangfläche, die Weiterleitungen (Dachrinnen, Rohre), die Schmutzfilterung, Lagertanks und eine einstellbare Regelung von Zu- und Ablauf. Überlaufsysteme leiten Wasserüberschuss mittels durchlässiger Pflaster oder begrünter Versickerungsmulden zurück in den Boden.
Technische Aspekte und Design
Die Größe des Speichers bestimmt, wie effektiv das System ist. Eine allgemeine Regel besagt, dass ein Tank etwa die durchschnittliche Niederschlagsmenge eines Monats für die jeweilige Dachfläche fassen sollte. Um auf das obige Beispiel zurückzukommen: Für ein 100 m² großes Dach mit einer jährlichen Niederschlagsmenge von 800 mm ist ein 8-11 m³ großer Tank angemessen. Die Integration von Regenwassernutzung mit durchlässigem Pflaster, Gründächern und Vegetation—der sogenannte Sponge City Ansatz—vervielfacht die Ergebnisse in erheblichem Maße.
Im Rahmen des chinesischen Sponge-City-Programms[3] versuchen dort ansässige Gemeinden, mindestens 70 % des Regenwassers aufzufangen und wiederzuverwenden. Dieses Modell wandelt Regenwasser von einem Entsorgungsproblem in eine lokale Ressource, in der Lage, die biologische Vielfalt zu fördern, Überschwemmungen zu vermeiden und das Grundwasser wieder aufzufüllen.

Urbane Vorteile
Regenwassernutzung stabilisiert und stärkt die Wasserversorgung ebenfalls, indem Abhängigkeiten von weit weg gelegenen Reservoirs oder Importen verringert werden. In dürregefährdeten Regionen bietet sie einen Puffer in Trockenperioden. Das Auffangen von lokalem Regen verhindert oberflächlich abfließendes Wasser sowie Überschwemmungen und entlastet somit die städtischen Entwässerungsnetze. Aufgrund dessen sparen Städte Infrastrukturkosten ein, weil man weniger Investitionen für den Ausbau von Regenwasserleitungen und Kläranlagen braucht. Über diese finanziellen Aspekte hinaus nutzt der aufgefangene Regen öffentlichen Gärten und Parks, der Landwirtschaft sowie allen Dachbegrünungen. Letztere verbessern nicht nur die Lebensqualität, sondern wirken auch Wärmeinseln entgegen, s. Urban Heat Islands (UHI). Die sichtbare Präsenz dieser Systeme—Zisternen, Dachtanks, üppige Gärten—verkörpert das Solarpunk-Ideal von dezentraler Resilienz und dem Miteinander zwischen Mensch und Umwelt.
Beispiele weltweit
In Chennai, Indien, begannen Nachbarschaftsgruppen und Schulen nach einer schweren Wasserknappheit der Stadt in den frühen 2000er Jahren mit der Installation von Regenwassersammelsystemen auf Dächern. Die Initiative war so erfolgreich, dass diese Anlagen für neue Gebäude sogar zur Pflicht wurden. Heute sind mehr als 90 % der Gebäude in Chennai mit solchen Systemen ausgestattet, die zum Anheben des örtlichen Grundwasserspiegels beitragen und wiederum die Abhängigkeit von externen Reservoirs senken.[4]
In Melbourne, Australien, wurde das „Raingarden“ Projekt ins Leben gerufen. Hierbei sammeln und filtern Anwohner Regenwasser in kleinen Gartenbecken, die mit öffentlichen Grünflächen und dem Entwässerungssystem verbunden sind. Diese Initiative hat Millionen von Litern Regenwasser aus dem städtischen Abwassernetz abgeleitet und damit sowohl die Wasserqualität als auch die städtische Kühlung verbessert.[5]
In São Paulo, Brasilien, haben Gemeinden im Bezirk Vila Mariana ungenutzte Innenhöfe in gemeinsame Regenwassersammelstellen umgewandelt und dabei Speichertanks mit Gemeinschaftsgärten kombiniert. Mit Unterstützung lokaler NGOs haben diese Aktivitäten für zusätzliches Bewässerungswasser in Dürreperioden gesorgt und die Zahl der Überschwemmungen reduziert.[6]
In Singapur wird auf einer großen Stellfläche eine Photovoltaik-Solaranlage mit Regenwassersammlung kombiniert betrieben. Die Module erzeugen Strom, während ihre schrägen Oberflächen den Regen in ein Filter- und Speichersystem leiten, das Grauwasser für Reinigungszwecke und Landschaftsgestaltung liefert. Dieses integrierte Design fängt jährlich über 200.000 Liter Regenwasser auf und erzeugt gleichzeitig erneuerbare Energie—ein Modell für effiziente und platzsparende urbane Nachhaltigkeit[7].
Jedes dieser Beispiele zeigt, wie Stadtbewohner innerhalb entsprechender politischer Vorgaben und maßgeschneiderten, innovativen Lösungen Mikro-Wassersysteme einsetzen können.
Das ist der Solarpunk Spirit: Dezentrale Resilienz statt Abhängigkeit von zentralisierter, ressourcenintensiver Infrastruktur.

Pro und Kontra
Vorteile: Regenwassernutzung bietet greifbare ökologische und wirtschaftliche Vorteile. Trinkwasser wird gespart, indem Regenwasser für Bewässerungszwecke und Sanitäranlagen benutzt wird. Dies senkt den kommunalen Bedarf um bis zu 40 %.[8] Auch gibt es weniger Risiken von Überschwemmungen und Erosion, insbesondere in dicht besiedelten Städten mit großen undurchlässigen Flächen. Durch die Wiederverwendung von Regenwasser können Gemeinden den Grundwasserspiegel erhöhen und den Wärmeinsel-Effekte kompensieren. Auch ästhetische und psychologische Vorteile ergeben sich—Einwohner fühlen sich direkt mit den ökologischen Kreisläufen verbunden, da sie sehen, dass ihr Wasser vor Ort gesammelt, gespeichert und genutzt wird.
Nachteile: Die Anfangskosten und der Wartungsaufwand bleiben die größten Hindernisse. Die Installation von Tanks, Rohrleitungen und Filtern belastet das Baubudget, und in bestehenden Gebäuden kann die Nachrüstung logistisch schwierig sein. Schlecht gewartete Systeme können von Moskitos heimgesucht werden oder bakterielle Beläge entwickeln, wodurch sich die Wasserqualität verschlechtert.

Wegweisendes Wassermanagement in einer Solarpunk Welt
In der Solarpunk-Vision von dezentral handelnden und ökologisch planenden Gemeinschaften, ist die Regenwassernutzung kein Zierwerk, sondern Herzstück einer städtischen Infrastruktur. Kommunale Anreize, modifizierte Bauvorschriften und kollektive Initiativen können dazu beitragen, dass dies allgemein umgesetzt wird. Städte könnten von Neubauten verlangen, dass sie einen Mindestprozentsatz des Niederschlags auffangen oder Steuergutschriften für installierte Zisternen anbieten. Wenn jedes Gebäude als Sammelfläche fungiert, Wasser speichert und wiederverwendet, es sich sozusagen in ein Mikro-Wasserwerk verwandelt, wird die Stadt zu einem lebendigen Quellgebiet.
Indem „graue“ Infrastruktur bestehend aus bloßen Kanalisationsrohren durch „blau-grüne“ Systeme ersetzt wird, welche Regen auffangen, speichern und wiederverwenden, bringen derartig gestaltete Solarpunk-Städte Technologie und Ökologie in Einklang. Jeder Regenguss wird zu einer Chance, jedes Dach zu einem Sammelbecken und jede Nachbarschaft zu einem Schritt in Richtung einer wasserrobusten, klimaresilienten Zukunft.
Quellen:
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Mexico_City
[2] https://en.climate-data.org/europe/italy/lazio-416/
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Sponge_city
[4] https://r10.ieee.org/indiacouncil/wp-content/uploads/sites/149/2018/08/p30-p34.pdf
[5] https://www.melbourne.vic.gov.au/raingardens
[6] https://www.resilience.org/stories/2015-11-13/rainwater-harvesting-in-sao-paulo-brazil/
[7] https://www.edb.gov.sg/en/business-insights/insights/singapore-opens-first-solar-farm-with-integrated-rainwater-harvesting-system.html
[8] https://iwaponline.com/jwrd/article/15/3/319/108983/Rainwater-harvesting-potential-and-impact-on