KI-basierte Gesundheitsvorsorge in einer Solarpunk-Welt

Skalierbare KI für eine gerechte, präventive und gemeinschaftsorientierte Gesundheitsversorgung in einer Solarpunk-Welt—Sicherung des Wohlbefindens inmitten steigender Klimarisiken
Medical data on a black display

Künstliche Intelligenz (KI) bietet leistungsstarke Möglichkeiten für präzise, präventive und gemeindenahe Gesundheitsversorgung. Ihre Skalierbarkeit ermöglicht es lokalen Kliniken und Basisorganisationen, KI für eine gerechte, widerstandsfähige und nachhaltige Versorgung zu integrieren – wovon nicht nur große Städte, sondern auch weit auseinanderliegende Gemeinschaften und Ansiedlungen profitieren können.

Gemeindeorientierte Gesundheitsprognose

AI kann lokale Umweltdaten analysieren (Luftqualität, Hitzestress, Wasserverschmutzung) analysieren, um Gesundheitsrisiken in Echtzeit auf Stadtteilebene vorherzusagen. Dazu gehört zum Beispiel die Identifizierung lokaler Hitzewellenrisiken und die Empfehlung gemeindebasierter Kühlungs- oder Flüssigkeitsversorgungsstrategien, bevor es zu Gesundheitskrisen kommt.[1][2] KI-Technologie kann vulnerable Bevölkerungsgruppen ausmachen und Frühwarnsysteme einrichten, die bei extremen Wetterereignissen möglicherweise Leben retten. KI unterstützt sowohl zentralisierte als auch dezentrale, klimatisch anpassungsfähige Gesundheitsnetzwerke.

Sonne in der Dämmerung

KI-basiertes System zur Überwachung der Luft- und Wasserqualität

Forscher haben eine KI-basierte Plattform für die Echtzeitüberwachung von Luft- und Wasserqualität unter Verwendung kostengünstiger Feinstaubsensoren entwickelt.[3]

PM-Sensoren sind kompakte, erschwingliche Geräte, welche in Luft schwebende Partikel erkennen und messen. Zu den Partikeln gehören Staub, Rauch, Pollen, Ruß und andere Schadstoffe, die für die menschliche Gesundheit schädlich sein können, insbesondere wenn sie über längere Zeit eingeatmet werden. Im Gegensatz zu hochwertigen Referenzgeräten (die Tausende von Euro kosten und technisch gewartet werden müssen) kosten Low-Cost-PM-Sensoren in der Regel weniger als 100 bis 300 US-Dollar und können in Netzwerken massenhaft eingesetzt werden.[4]

Die KI-basierte Plattform analysiert große Umweltdatensätze mit Hilfe von Machine Learning (ML), um genaue, lokale Vorhersagen für Schadstoffe wie Kohlenmonoxid, Ozon, Blei und Chlor zu liefern. Das KI-System kann Sensordaten mit zusätzlichen Daten von z.B. Satelliten integrieren, um Verschmutzungskarten zu erstellen, Schadstoffquellen zu identifizieren und zukünftige Bedingungen vorherzusagen – und damit Anwendungen in intelligenten Städten, der Stadtplanung und der Überwachung der persönlichen Belastung zu unterstützen.

Im Gegensatz zu bestehenden Systemen, die bei der Interpretation umfangreicher Sensordaten zu kämpfen haben und die Wasserqualität an Verbrauchsstellen nicht zuverlässig vorhersagen können, kalibriert und verbessert diese Plattform hier die Datengenauigkeit über mehrere Formate und Sensortypen hinweg. Sie verringert die Abhängigkeit von kostspieligen manuellen Tests und bietet skalierbare, automatisierte Lösungen für das Management von Umweltsystemen. Die Technologie befindet sich zwar noch in der Entwicklungsphase— ein funktionierender Kalibrierungsalgorithmus und ein mobiler Prototyp ist jedoch bereits vorhanden. Durch dessen Einsatz soll die datengesteuerte Echtzeitüberwachung von Luft und Wasser in verschiedenen städtischen sowie privaten Answendungsfeldern erweitert werden.

Luftpartikel-Sensor

Sturmflutvorhersagen[5]

Dieses Beispiel ist ein Extremfall der prädiktiven KI-gestützten Gesundheitsversorgung und zeigt, wie KI-Technologien eine entscheidende Rolle beim Katastrophenschutz spielen können. Die folgenden Erkenntnisse der Universität Hamburg zeigen, wie KI-gesteuerte Sturmflutvorhersagen Überlebensstrategien unterstützen und Frühwarnsysteme in hochwassergefährdeten Gebieten verbessern können.

Forscher der Universität Hamburg haben ein KI-Modell zur Verbesserung der Sturmflutvorhersage an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins entwickelt. Das System stützt sich auf jahrzehntelange Daten von Überwachungsstationen wie Cuxhaven und erstellt standortspezifische Vorhersagen auf der Grundlage von Gezeitenmustern, Wind und Meeresströmungen. Während die Häufigkeit von Sturmfluten nicht wesentlich zunehmen wird, geht das Modell davon aus, dass die durchschnittliche Höhe von Sturmfluten aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels um etwa 0,5 Meter zunehmen wird. Im Gegensatz zu herkömmlichen Modellen, die breitere Vorhersagen bieten, liefert dieses KI-Tool detaillierte, standortspezifische Erkenntnisse.

Das System hat sich als sehr leistungsfähig erwiesen und rund 70% der vergangenen Sturmflutereignisse über einen Zeitraum von 60 Jahren korrekt vorhergesagt. Damit übertrifft es den üblichen Genauigkeitsbereich von 40-50% erheblich. Obwohl das Modell noch nicht offiziell eingeführt ist, hat der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN) Interesse an der Übernahme des Modells bekundet. Das LKN stützt sich derzeit bei kurzfristigen Entscheidungen auf Prognosen des Bundes und bei langfristigen Planungen auf 200-jährige Hochwasserszenarien mit zusätzlichen Puffern für den Anstieg des Meeresspiegels. Die Forscher wollen das System auf weitere Orte, einschließlich Nordstrand, ausweiten und haben bereits damit begonnen, die Prognosen für die kommende Wintersaison zu testen.

Psychische Gesundheit

Im Gebiet der psychischen Gesundheit bieten KI-gestützte Tools wie Apps und Chatbots dezentrale, allzeit verfügbare Unterstützung im Einklang mit den Solarpunk-Werte wie Resilienz, Nachhaltigkeit und gemeinschaftliche Autonomie. Diese Tools können auf stromsparenden Geräten laufen und auf lokalen Servern oder Mesh-Netzwerken gehostet werden, so dass die Anwendungen ohne Abhängigkeit von unternehmenseigenen Cloud-Systemen oder ständigem Internetzugang laufen können. Dies ist besonders wichtig in abgelegenen, netzunabhängigen oder vom Klima beeinträchtigten Landstrichen, in denen Gemeinschaften nach technischer Souveränität und Privatsphäre streben.

Beispiele wie Woebot[6] oder Wysa[7] nutzen konversationelle KI, um Nutzern bei der Bewältigung von Angst, Stress und Depression mit Methoden wie der kognitiven Verhaltenstherapie (CBT) zu unterstützen. Auch wenn die meisten dieser Angebote noch zentralisiert aufgebaut sind, ebnen sie den Weg zu Open-Source-Varianten, die z.B. gemeinschaftlich gehostet werden können. Man stelle sich ein Solarpunk-Eco-Village vor, das einen datenschutzfreundlichen Chatbot auf einem solarbetriebenen Raspberry-Pi-Server betreibt—zugänglich über ein lokales Intranet. So entsteht eine alltagstaugliche, stigmafreie mentale Gesundheitsversorgung, die sich nahtlos in regenerative Lebensstile einfügt.

Solarpunk-Ideale basieren auf gegenseitiger Hilfe und ethischer Technologie, somit den KI-gestützte Lösungen im Rahmen des psychischen Gesundheitsmanagements ein wesentliches Mittel. Lokale KI-Unterstützung hilft Gemeinschaften dabei, ihre emotionale Widerstandsfähigkeit zu erhalten, das psychische Wohlbefinden zu fördern und Versorgungssystem aufzubauen, die privat und anpassungsfähig sind und den Menschen im Mittelpunkt haben.

Eine Person, die in einem Labyrinth aus flachen Steinen auf einem Strand spazieren geht.

Biologisches Alter

Einen weiteren Fortschritt haben Forscher am Mass General Brigham verbucht: die Entwicklung des KI-Tools „FaceAge“, welches in der Lage ist, das biologische Alter einer Person anhand einfacher Gesichtsfotos zu schätzen. Im Gegensatz zum chronologischen Alter gibt das biologische Alter eine genauere Darstellung des physiologischen Zustands einer Person und ihrer Gesundheitsrisiken wieder. Die Vorhersagen der KI sind auf etwa drei Jahre genau. Noch bedeutsamer ist, dass die FaceAges Schätzungen des Bio-Alters die Sterblichkeit besser vorhersagen als das Kalenderalter der betreffenden Person. Dieser Fortschritt könnte Ärzten dabei helfen, die Gesundheitsvorsorge zu personalisieren und Behandlungen auf der Grundlage der biologischen Belastbarkeit einer Person zuzuschneiden.[8]

Wie kann Gemeinden mit schwacher Infrastruktur geholfen werden?

In Gebieten mit schwacher Datennetz- oder Stromnetzinfrastruktur können sogenannte Edge AI Devices eingesetzt werden. Edge AI-Geräte (KI-Systeme, die offline laufen) bieten präventive Vorsorgeuntersuchungen für Krankheiten wie Tuberkulose oder Malaria mit solarbetriebenen Mikroskopen oder bildgebenden Instrumenten an.[9] Diese Systeme können in abgelegenen Gebieten ohne zuverlässige Elektrizität oder Internet betrieben werden und stellen hochwertige Diagnosen bereit. Dank ihres geringen Energieverbrauchs können sie effektiv mit dezentralen Energiequellen wie Sonnenkollektoren oder Batterien betrieben werden. Außerdem verringern sie die Abhängigkeit von zentralen Labors und geben dem lokalen Gesundheitspersonal mehr Flexibilität.

Ausblick

In einer aktuellen Studie wurde untersucht, wie die Überwachung der Luftqualität in Innenräumen (IAQ) und KI bei der Behandlung chronischer Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD helfen können.[10] Die Analyse von 21 Studien bestätigte, dass Schadstoffe wie PM2.5, VOCs und Ozon mit einer Verschlechterung der Symptome einhergehen. Die Forschung wird jedoch häufig eingeschränkt durch zu kurze Studienzeiträume, kleine Stichprobengrößen und fragmentierte Daten. KI und IoT haben ein großes Potenzial für die langfristige Vorhersage von Gesundheitsrisiken, werden aber noch nicht in großem Umfang eingesetzt. Es bedarf standardisierter Protokolle, einer besseren Sensorintegration und interdisziplinärer Studien, um zum Durchbruch bei der personalisierten, präventiven Versorgung zu gelangen.

Fabrikschornsteine mit Rauchschwaden

In einem anderen Artikel wurde untersucht, wie maschinelles Lernen (ML) die Vorhersage der Toxizität von Pestiziden zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt vorantreibt.[11] ML-Modelle wie Random Forest und Support Vector Machines erweisen sich als wirksam bei der Erkennung schädlicher Verbindungen und der Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen beim Pestizideinsatz. Auch wenn dies alles vielversprechend klingt, bleiben Herausforderungen bestehen, wie z.B. der Bedarf an größeren Datensätzen und besser interpretierbaren Modellen. Wie bereits erwähnt, plädieren auch hier die Autoren für eine bessere Zusammenarbeit, einheitliche Methoden und Abläufe und reichhaltigere Datensätze, um sichere landwirtschaftliche Praktiken und gut durchdachte Richtlinien zu einzuführen.

Quintessenz

Alle oben genannten Nachrichten veranschaulichen die starken, messbaren Auswirkungen, die KI bereits heute im Gesundheitswesen hat, und erinnern zugleich an die dringende Notwendigkeit, bestehende systematische Lücken zu schließen. Solarpunk begrüßt nicht nur diese Technologien, sondern setzt sich aktiv für deren gerechte, gemeinschaftsorientierte Anwendung auf allen gesellschaftlichen Ebenen ein, auch an dezentralen Orten.

Die gute Nachricht ist, dass KI, wie jede Software, von Natur aus kopierbar ist und durchaus skalierbar gestaltet werden kann! Genau diese Skalierbarkeit macht es möglich, sie potenziell überall einzusetzen. Richtig konzipiert, kann KI sowohl in kleinen als auch in großen Netzwerken Kontinuität, Gerechtigkeit und Widerstandsfähigkeit fördern und es kleinen Gemeinden, Kliniken und Gesundheitseinrichtungen ermöglichen, direkt von technologischen Fortschritten zu profitieren.

Quellen

[1] https://www.mdpi.com/2071-1050/14/16/9951
[2] https://link.springer.com/article/10.1007/s13412-025-01018-3
[3] https://tech.wustl.edu/tech-summary/real-time-air-and-water-quality-monitoring-with-ai-based-data-analysis-and-low-cost-sensors/
[4] https://www.nature.com/articles/s41598-025-02069-w
[5] https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/sturmfluten-in-sh-wie-ki-hilft-extremwetter-vorherzusagen,kuestenschutz-102.html
[6] https://woebothealth.com/
[7] https://www.wysa.io/
[8] https://www.tagesschau.de/wissen/technologie/ki-berechnet-biologisches-alter-100.html
[9] https://arxiv.org/abs/2208.06114
[10] https://www.mdpi.com/2227-7080/13/3/122
[11] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10990867/

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