Freiburg: Deutschlands Sonnenhauptstadt

Freiburg hat Worten Taten folgen lassen, um Umweltschutz und Energiewende anzugehen und dabei greifbare Ergebnisse erzielt, wie z.B. eine Reduzierung der CO2-Emissionen pro Kopf um 46 %. Diese Erfolge unterstreichen das Engagement der Stadt für eine grünere, lebenswertere Zukunft.
Solar cycle road in Freiburg, with a long canopy of photovoltaic cells

Freiburg liegt im Südwesten Deutschlands, nicht weit von Frankreich und der Schweiz entfernt, und ist von Hügeln und Weinbergen umgeben. Die Sonne scheint im Durchschnitt rund 1800 Stunden pro Jahr,[1] häufiger als irgendwo sonst in Deutschland, was die Stadt zur „Sonnenhauptstadt Deutschlands“ machte.[2] Die Stadt ist seit langem für ihr Umweltbewusstsein und ihre innovative Stadtplanung bekannt.

Geschichte

Historisch gesehen war Freiburg eine Marktstadt und ein Knotenpunkt für den regionalen Handel. Die Gründung der Stadt geht auf das Jahr 1120 zurück. Der mittelalterliche Kern der Stadt, einschließlich der berühmten gotischen Kathedrale, dem Freiburger Münster, ist immer noch ein Zeugnis der reichen Vergangenheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Teile Freiburgs wiederaufgebaut und damit die Weichen für die Entwicklung zu einer zukunftsorientierten, umweltbewussten Stadt gestellt.[1]

Das Freiburger Münster in der Altstadt, an einem sonnigen Tag

Freiburg heute

Freiburg ist eine attraktive Studentenstadt mit vielen Universitäten und Forschungszentren. Diese sind wichtige Wirtschaftsfaktoren und kurbeln die Beschäftigung an, sodass die Bevölkerung stetig wächst. Eingebettet in eine wunderschöne Landschaft, in der Nähe des Schwarzwalds und der Vogesen, des Bodensees und der Alpen, bietet Freiburg auch ein breites Angebot an sportlichen Aktivitäten im Freien.

Die Stadt verfügt über eine starke Solarindustrie und Forschung, darunter das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Freiburg ist auch Sitz von internationalen Organisationen wie ICLEI – Local Governments for Sustainability und der International Solar Energy Society. Politisch ist die Stadt eine Hochburg der Partei Die Grünen.

Viele Freiburger lieben das Fahrradfahren und das Recycling–ein gewisser Solarpunk Spirit wohnt ihnen also inne.

Solarpunk Aspekte in der Stadtplanung

Die Transformation Freiburgs in ein Parade-Beispiel für nachhaltiges städtisches Leben begann in den 1980er Jahren, angetrieben durch den starken lokalen Widerstand gegen die nahegelegenen Kernkraftwerke (siehe auch unseren Artikel über „Fusionsenergie“: Der Heilige Gral sauberer Energie“, der sich mit den Risiken und Gefahren von Kernspaltungskraftwerken befasst)[3] Dies war der Auslöser für einen Wandel hin zu erneuerbaren Energien und ökologischer Stadtgestaltung. Zu den wichtigsten Projekten gehören:

Vauban-Distrikt[4]

  • Zeitplan: Baubeginn 1998, Fertigstellung in mehreren Phasen in den 2000er Jahren

  • Einwohnerzahl: Ungefähr 5.500 Einwohner

  • Merkmale: Der Stadtteil Vauban ist ein verkehrsberuhigtes Gebiet, das auf Solarenergie, energieeffiziente Häuser (siehe auch unseren Artikel über Niedrigenergiehäuser) und Grünflächen setzt. Autos müssen sich an eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h halten und Fußgängern und Radfahrern die Vorfahrt gewähren. Die Straßen sind so angelegt, dass Fußgänger, Radfahrer und öffentliche Verkehrsmittel Vorrang haben, was die Stadt zu einem äußerst nachhaltigen und fußgängerfreundlichen Viertel macht. Alle Gebäude sind nach Niedrigenergie- oder Passivhausstandards gebaut und viele sind mit Photovoltaikanlagen ausgestattet.

  • Fortbewegung: Die Einwohner nutzen hauptsächlich Fahrräder, Straßenbahnen und Carsharing-Dienste. Eine Straßenbahnlinie verbindet Vauban direkt mit dem Stadtzentrum von Freiburg.

  • Kosten: 120 Millionen Euro für die Infrastruktur, mit durchschnittlichen Wohnkosten von 1.500 Euro pro m² in der Anfangsphase der Entwicklung

Das Freiburger Öko-Viertel Vauban besteht aus bunten Häuserzeilen, die von Grün umgeben sind. Auf der verkehrsberuhigten Spielstraße'fährt ein kleines Kind auf seinem Mini-Fahrrad.

Stadtteil Rieselfeld[5]

  • Zeitplan: Entwickelt zwischen 1993 und 2010, Bau 2012 abgeschlossen

  • Einwohnerzahl: Etwa 10.000 Einwohner

  • Merkmale: Rieselfeld wurde auf ehemaligen Rieselfeldern erbaut und verfügt über kompakte, umweltfreundlichen Wohnanlangen mit großzügigen Grünflächen und nachhaltigen Entwässerungssystemen. Um ein zu eintöniges Erscheinungsbild zu vermeiden, wurden Investoren auf den Bau von je maximal 40 Einheiten beschränkt. Zu den Infrastrukturen und Dienstleistungen gehören Kindertagesstätten und Schulen (von der Grundschule bis zum Gymnasium). Es wurden rund 1.000 Arbeitsplätze in Rieselfeld geschaffen. Die demografische Mischung aus jungen und alten Menschen, Singles, Familien, Vermietern und Mietern ist ideal und schafft eine sehr attraktive und lebendige Gemeinde.

  • Verkehrsmittel: Wie Vauban ist auch Rieselfeld durch Straßenbahnen und Radwege gut angebunden

  • Kosten: Die anfänglichen Kosten beliefen sich auf 145 Millionen Euro, von denen 85 Millionen durch den Verkauf des Geländes (das sich im Besitz der Stadt befand) ausgeglichen wurden

Luftaufnahme des Stadtteils Rieselfel mit vielen umweltfreundlichen Gebäuden, deren Dächer mitsamt ihrer blau-grauen PV-Anlagen zur Sonne ausgerichtet sind; im Hintergrund ist eine malerische Bergkette zu sehen

Sonnenschiff[6]

  • Zeitplan: Abgeschlossen in 2006

  • Merkmale: Die weltweit erste Wohnsiedlung mit einer positiven Energiebilanz, d.h. sie produziert mehr Energie als sie verbraucht!

  • Technologie: Photovoltaikanlagen erzeugen jährlich 445 kWh/m²

  • Einwohnerzahl: Heimat von etwa 60 Familien.

  • Kosten: 14 Millionen Euro Projektkosten, einschließlich fortschrittlicher Photovoltaiksysteme

Links befindet sich das "Sonnenschiff"; vor dem bunten Komplex verläuft eine Straße mit Straßenbahnen und einem Fahrradweg

Regulierung und Governance

Der Erfolg Freiburgs beruht auf fortschrittlichen Bauvorschriften und Anreizen für erneuerbare Energien. Hier eine Auswahl an wichtigen Meilensteinen:[3]

  • Beschluss zur Abfallwirtschaft: Einführung von Anforderungen für wiederverwendbare Verpackungen im Jahr 1991

  • Niedrig-Energie-Standards: Die 1992 eingeführte Freiburger Energieeinsparverordnung (FEVS) verlangt von Neubauten die Einhaltung strenger Energieeffizienzkriterien, die mehrfach aktualisiert wurden, um sie an die deutschen Klimaziele anzupassen.

  • Im Jahr 1994 wurde Heliotrop das erste Plus-Energiehaus der Welt, das mehr Energie produziert als es verbraucht[7].

  • Neues Klimaschutzziel im Jahr 2014 festgelegt: 50% weniger CO2 bis 2030, Klimaneutralität bis 2050

  • 2019: Aktualisierung des Klimaschutzkonzepts: 60% CO2-Reduktion bis 2030, 100% Reduktion bis 2050

  • Im Jahr 2021 beschloss der Freiburger Gemeinderat eine Klimaschutzkampagne und richtete einen 120 Millionen Euro schweren Zukunftsfonds ein. Mit dieser Initiative werden die Klimaschutzziele angehoben. Freiburg soll bis 2038 klimaneutral werden.

Verkehr und Anschlüsse

Das grüne Verkehrsnetz von Freiburg ist vorbildlich:

  • Radfahren: Ungefähr 250 km Fahrradstraßen oder Radwege, wobei 34 % der Fahrten innerhalb der Stadt Freiburg mit dem Fahrrad zurückgelegt werden (29 % von Fußgängern und nur 17 % mit dem Auto)[8]

  • Öffentliche Verkehrsmittel: Die Straßenbahnlinien sind das Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs. Das Straßenbahnnetz ist aufgrund der niedrigen Fahrpreise sehr beliebt und bietet unbegrenzte Beförderung in der Stadt und im Umland. Veranstaltungstickets für Konzerte und Sport sind auch für die öffentlichen Verkehrsmittel gültig. 70 % der Bevölkerung leben nur max. 500 m von einer Straßenbahnhaltestelle entfernt. Die Straßenbahnen fahren alle 7-8 Minuten.[1]

Eine rote Straßenbahn fährt in einen Vorort außerhalb der Freiburger Altstadt
  • Bahnverbindungen: Freiburg ist ein wichtiger Fernverkehrsknotenpunkt im Netz der Deutschen Bahn und bietet Hochgeschwindigkeitsverbindungen nach Basel, Schweiz (40 Minuten), Straßburg, Frankreich (60 Minuten) und Frankfurt, Deutschland (2 Stunden).

Freiburgs Solarpunk Aushängeschilder

  • Der Solar-Radweg (siehe Titelbild des Artikels): Mit einer Länge von 300 m soll dieser spezielle Radweg mit Solardach jährlich bis zu 280 MWh Strom erzeugen, was dem Stromverbrauch von etwa 180 Personen entspricht. Er ist mit 900 Photovoltaik-Modulen ausgestattet, die eine durchgehende Überdachung für die Radfahrer bilden und sie somit vor Niederschlägen schützen. Er wurde Anfang 2023 offiziell eingeweiht und ist einzigartig in Deutschland.[9]

  • Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE): Dieses weltweit führende Forschungszentrum hat Innovationen wie hocheffiziente Photovoltaikzellen und fortschrittliche Energiespeichersysteme für urbane Netze entwickelt.

  • Uniklinik Freiburg: Der Krankenhauskomplex integriert begrünte Dächer mit Solaranlagen, die 360 Megawattstunden Energie pro Jahr produzieren und den CO2-Ausstoß um 134 Tonnen reduzieren[10]

  • Die erühmten Freiburger Bächle, die durch die Altstadt fließen: Diese kleinen malerischen Wasserläufe wurden im Mittelalter angelegt, um Freiburg mit frischem Wasser und Wasser für die Feuerwehr zu versorgen. Sie transportierten auch Regen- und Schmelzwasser ab, wodurch Überschwemmungen verhindert wurden (siehe auch unseren Artikel über Schwammstädte). Nach ihrem Weg durch das Stadtzentrum wurde das Wasser zur Bewässerung der Felder genutzt.[11] Heute kühlen sie im Sommer die Luft und dienen anderen, einfallsreicheren Zwecken, wie zum Beispiel dem Kühlen von Getränken (siehe Foto unten) – abgesehen davon, dass sie eine Touristenattraktion sind.

Ein Freiburger "Bächle" in der Mitte einer Fußgängerzone; im Sommer kühlen sie die Luft ab. Auf diesem Bild dienen sie auch der Kühlung von zwei Weinflaschen, die in roten Eimern ins Bächle gestellt wurden.

Ausblick

Ziel von Freiburg ist:

  • Erreichen der Klimaneutralität bis 2038, in Übereinstimmung mit den nationalen Zielen Deutschlands

  • Ausbau erneuerbarer Energien, um 100 % des Strombedarfs zu decken. Das größte Potenzial für erneuerbare Energien in der Region liegt in der Photovoltaik: 3.000 Gigawattstunden pro Jahr (GWh/a) auf Dächern und an Fassaden und 1.800 GWh/a aus Freiflächenanlagen. Das Potenzial für Windenergie beträgt etwa 3.000 GWh/a. Bei der Wärmeerzeugung sticht die Umweltwärme hervor, wobei das Potenzial für oberflächennahe Geothermie und Umgebungsluft 2.115 GWh/a beträgt, gefolgt von der Tiefengeothermie mit 400 GWh/a.[12]

  • Weiterentwicklung von Öko-Stadtteilen wie Dietenbach, wo bis 2035 15.000 Einwohner mit einem Netto-Null-Energieverbrauch leben sollen[13]

  • Weltweit führend in nachhaltiger Stadtplanung sowie technischen Innovationen bleiben

Zusammenfassung

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als viele Teile der ursprünglichen Stadt zerstört wurden, hat sich Freiburg in eine blühende Solarpunk-Stadt mit wachsender Bevölkerung verwandelt. Die Stadt hat bemerkenswerte Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit gemacht. Die spezifischen pro Kopf CO2-Emissionen über alle Bereiche hinweg sind von 11,76 Tonnen im Jahr 1992 auf 6,39 Tonnen im Jahr 2020 gesunken, was einer Reduzierung von 45,6 % entspricht. [14] Die Einwohner Freiburgs genießen eine hohe Lebensqualität mit viel Grün, einer lebendigen Altstadt und umgeben von einer wunderschönen Landschaft. Investitionen in Technologien für erneuerbare Energien nebst deren Umsetzung sowie umweltfreundlicher Konzepte und Standards schufen viele Arbeitsplätze. Dazu trugen ebenfalls die Planung und Neugründung umweltfreundlicher Stadtviertel und der Ausbau des öffentlichen Nachverkehrs bei. Freiburg hat den Worten Taten folgen lassen, sich mittel- bis langfristige Ziele gesetzt und greifbare, quantifizierbare Ergebnisse erzielt, die regelmäßig aktualisiert und per Bekanntmachungen, Berichten oder Websites verbreitet wurden. Diese Erfolge unterstreichen das Engagement der Stadt für eine grünere, lebenswertere Zukunft für alle.

Quellen:

[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Freiburg_im_Breisgau
[2] https://www.study-in-germany.de/en/germany/cities/freiburg/
[3] https://greencity.freiburg.de/pb/milestones.html
[4] https://www.freiburg.de/pb/,Lde/208732.html
[5] https://en.wikipedia.org/wiki/Rieselfeld
[6] https://en.wikipedia.org/wiki/Sonnenschiff#:~:text=Sonnenschiff%20(%20lit.,the%20Solar%20Settlement%20at%20Schlierberg.
[7] https://www.rolfdisch.de/projekte/das-heliotrop/
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Radverkehr_in_Freiburg_im_Breisgau
[9] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/suedbaden/solarradweg-in-freiburg-eingeweiht-100.html
[10] https://www.uniklinik-freiburg.de/uniklinikum/zahlen-und-fakten/nachhaltigkeit/technik.html
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Freiburger_B%C3%A4chle
[12] https://www.freiburg.de/site/freiburg-2024/get/params_E-2113196521/2120313/2024_01_08%20Bericht_Energiebilanz_Region_Freiburg.pdf
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Dietenbach_(Freiburg_im_Breisgau)#:~:text=6%20Einzelnachweise-,Lage,f%C3%BCr%20rund%2016.000%20Menschen%20entstehen.
[14] https://www.freiburg.de/site/freiburg-2024/get/params_E548774210/2059583/Bericht_Klimabilanz_Freiburg_2019_2020.pdf

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