Biopolymere: Materialien neu denken für eine Solarpunk-Zukunft

Biopolymere verbinden Biologie mit Technologie und bieten erneuerbare, biologisch abbaubare Materialien, um im Einklang mit der Natur zu leben
Glistening and transparent biodegradable plastic knives, forks and spoons laid on a black surface

Biopolymere sind ein vielfältiger Bereich organischer, langkettiger Moleküle, die in ihrer Kombination einzigartige Materialien für eine breite Palette von Anwendungen wie Lebensmittelverpackungen oder auflösbare Implantate ergeben. Biologisch abbaubare Polyester gehören zu den ältesten Materialien, mit denen die Menschheit interagiert hat,[1] da sie aus erneuerbaren Rohstoffen wie Maisstärke oder Zuckerrohr hergestellt oder von Mikroorganismen durch Fermentation produziert werden können.

Dieser Artikel befasst sich eingehend mit aktuellen und zukünftigen Anwendungsfällen von Biopolymeren und ergänzt unseren Artikel Bioreaktoren, welcher bereits eingehend einen der vielen möglichen Produktionsprozesse von Biopolymeren beschreibt.

Geschichte

Historisch gesehen kann der allgemeine Begriff Biopolymere auf alle Materialien angewandt werden, die der Mensch zur Herstellung von Waren verwendet hat und die aus biologischen Quellen wie Holz, Pflanzen oder Tieren (z.B. Knochen, Haut, Organgewebe) stammen. Diese Resourcen waren und sind reichlich vorhanden, regenerierbar und lassen sich leicht zu nützlichen Gegenständen formen. Mit der chemischen Revolution steht der Begriff Biopolymere, wie er heute verwendet wird, für Polymere, bei denen es sich um langkettige chemische Moleküle handelt, z.B. Zellulose in Pflanzen oder komplexere Biomoleküle wie Polymilchsäure (PLA) oder Polyhydroxyalkanoate (PHA) als Basischemikalien für die weitere Synthese zu hochfunktionalen Produkten.[2]

Bunte Schaumstoffstücke aus Maisstärke liegen auf einem grauen Pflaster

Moderne Biopolymere werden aus erneuerbaren Rohstoffen wie Zucker, Stärke, Ölen und Zellulose hergestellt. Zu den Produktionsmethoden gehören die mikrobielle Fermentation, die enzymatische Polymerisation, die chemische Polymerisation von biobasierten Monomeren und die direkte Verarbeitung von Biomasse. Mit Hilfe von Bioreaktoren werden die ersten beiden Produktionsmethoden in zunehmendem Maße angewandt. Diese Verfahren liefern biologisch abbaubare Materialien wie PLA/PHA oder haltbare biobasierte Kunststoffe wie Bio-Polyethylen (PE) und Bio-Polyethylenterephthalat (PET), wodurch die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen verringert wird.[3][4]

Eine wichtige Anmerkung an dieser Stelle ist die folgende Unterscheidung: Biologisch abbaubare Biopolymere (z.B. PLA, PHA, auf Stärkebasis) zerfallen unter mikrobieller Einwirkung, meist basierend auf erneuerbaren Rohstoffen, in natürliche Verbindungen. Nicht biologisch abbaubare Biopolymere wie Bio-PE oder Bio-PET sind zwar pflanzlichen Ursprungs, aber chemisch identisch mit fossilen Kunststoffen und bleiben dauerhaft erhalten. Die biologische Abbaubarkeit hängt von der chemischen Struktur ab, nicht von der Herkunft! Biobasiert bedeutet nicht immer biologisch abbaubar, und aus Erdöl gewonnene Produkte können manchmal biologisch abbaubar sein.

Die folgenden Anwendungsfälle konzentrieren sich ausschließlich auf biologisch abbaubare Biopolymere.[5] Insgesamt ist die Umweltfreundlichkeit von Biopolymeren, ob biologisch abbaubar oder nicht, im Vergleich zu Polymeren auf fossiler Basis in der Regel besser, da der Energieverbrauch, die Lieferketten und die Produktion von Biopolymeren nachhaltiger sind.[6]

Biologisch abbaubare Biopolymere Anwendungsfälle

Verpackung und Lebensmittelanwendungen

  • Lebensmittelverpackungen: Biopolymere wie PLA, Stärke und Chitosan haben sich bei Lebensmittelverpackungen aufgrund ihrer Wiederverwendbarkeit, ihrer biologischen Abbaubarkeit und ihrer Sicherheit im Kontakt mit Lebensmitteln etabliert. Verpackungen tragen in hohem Maße zu den weltweiten Plastikmüllströmen bei, verschmutzen Land und Ozeane und haben große Auswirkungen auf die Tierwelt und den Menschen. Biologisch abbaubare Kunststoffe zerfallen in der Natur deutlich leichter. Das macht sie besonders attraktiv für Einwegartikel wie Becher, Schalen und Folien, die sonst Mülldeponien verstopfen oder in Meeresökosysteme gelangen würden.

Transparente Blisterverpackung für einen grünen Salatbehälter
  • PHA-Verpackungen: Eine vielversprechende Option mit guter biologischer Abbaubarkeit und Folienbeschaffenheit, auch wenn Kosten und Skalierbarkeit noch Hindernisse darstellen. Mit wachsender Produktionsmenge sinken die Kosten, und wenn sich Fermentierungstechniken verbessern, könnte PHA ein gängiger Ersatz für erdölbasierte Folien werden.

  • „Aktive“ Verpackungen: Neuartige Folien können antimikrobielle Stoffe oder Antioxidantien enthalten, welche die Haltbarkeit verlängern, Lebensmittelabfälle reduzieren und die Nachhaltigkeit fördern. Diese intelligenten Systeme reduzieren den Bedarf an künstlichen Konservierungsstoffen und helfen Einzelhändlern und Verbrauchern, mit verderblichen Waren effizienter umzugehen.

Feuchtigkeitsempfindlichkeit, Hitzebeständigkeit und spröde Konsistenz bleiben Hürden. Kompostierbare Verpackungen funktionieren nur, wenn die lokale Abfallwirtschaft sie richtig verarbeiten kann. Industrielle Kompostieranlagen sind erforderlich; Komposttonnen zu Hause bieten in der Regel nicht die erforderlichen Bedingungen. Daher ist eine Abstimmung zwischen den Materialien selbst und der Abfallinfrastruktur ebenso wichtig wie die Polymerchemie an sich.

Medizin und Gesundheitswesen

  • Absorbierbares Nahtmaterial und Implantate: Biopolymere ermöglichen resorbierbare Implantate, die sich nach der Heilung auflösen, so dass eine chirurgische Entfernung vermieden wird. Dies reduziert die Belastung für den Patienten, minimiert Folgeeingriffe und senkt letztlich die Kosten im Gesundheitswesen.

  • Systeme zur Wirkstoffabgabe: Hydrogele, Nanopartikel und Konjugate auf der Basis von Biopolymeren ermöglichen die kontrollierte Freisetzung von Medikamenten, was Behandlungen verbessert und Nebenwirkungen reduziert. Sie eröffnen auch Wege für eine personalisierte Medizin, bei der die Freisetzung von Wirkstoffen auf die spezifischen gesundheitlichen Bedürfnisse einer Person abgestimmt werden kann.

  • Zellträger für die Gewebezüchtung: Hydrogele und poröse Matrizen ahmen das natürliche Gewebegerüst nach und helfen den Zellen, Haut, Knochen oder Knorpel nachwachsen zu lassen. Solche Zellträger können sich in die Biologie des Patienten integrieren und sich langfristig in dauerhaftes, gesundes Gewebe verwandeln.

Textilien—von Mode bis Funktionaldesign

  • PLA-Fasern und Bio-Verbundstoffe: PLA kann durch Schmelzspinnen zu Stoffen verarbeitet werden, die polyesterähnliche Eigenschaften haben, aber einen geringeren ökologischen Fußabdruck aufweisen. In Kombination mit Naturfasern wie Flachs oder Hanf entstehen aus PLA Bio-Verbundstoffe, die leicht und langlebig sind und sich für Kleidung, Accessoires oder technische Gewebe eignen. Diese Materialien sind außerdem schneller biologisch abbaubar als Polyester, was die langfristige Ansammlung von Mikrofasern in den Gewässern vermindert.

Zwei pyramidenförmige Teebeutel aus PLA-Fasermaterial

  • Verbesserte Qualität: Mischungen und Zusatzstoffe verbessern Hitzebeständigkeit und Haltbarkeit und machen Biopolymer-Textilien vielseitiger. Kreislaufmode profitiert von weniger Mikrofasern aus Kunststoff. Die Einbindung in bestehende Lieferketten zeigt, wie Nachhaltigkeit erreicht werden kann, ohne die Produktionsinfrastruktur neu zu erfinden.

  • PHA-Fasern: Stecken noch in den Kinderschuhen, mit Herausforderungen bei der Verarbeitung, jedoch mit gutem Potenzial als nachhaltige Alternative. Forschungteams arbeiten weiter an der Verbesserung der Festigkeit und der Spinnqualität der Fasern und öffnen damit die Türen für eine breitere Anwendung in Hochleistungsbekleidung und technischen Textilien.

Landwirtschaft und Umwelt

  • Biologisch abbaubare Mulchfolien (BDMs): BDMs ersetzen schwer abbaubare LDPE-Folien und verringern die Bodenverschmutzung. Sie regulieren die Bodentemperatur, halten die Feuchtigkeit im Boden und steigern somit die Erträge, vor allem in mediterranem Klima. Da sie sich auf natürliche Weise abbauen, verhindern sie eine langfristige Bodenverschmutzung. Landwirte sparen außerdem Arbeits- und Entsorgungskosten, weil die Folien nach der Ernte nicht eingesammelt werden müssen.

Dunkelgraue Mulchfolie aus PLA-Biomaterial, die den Boden zwischen grünen Setzlingen abdeckt

  • Kontrollierte Freisetzung von Agrochemikalien: Biopolymer-Beschichtungen setzen Nährstoffe langsam frei und reduzieren so Oberflächenabfluss und Verschmutzung. Diese kontrollierte Freisetzung verbessert die Effizienz von Düngemitteln und ermöglicht höhere Erträge bei geringerem Chemikalieneinsatz.

  • Umwelt-Sensoren: Biopolymer-Verbundstoffe dienen als biologisch abbaubare Sensoren für Boden- und Schadstoffüberwachung. Nach dem Gebrauch werden sie sicher abgebaut und sorgen dafür, dass die Präzisionslandwirtschaft keinen zusätzlichen Elektroschrott erzeugt.

Elektronik und Elektrotechnik

  • Das Konzept: Biologisch abbaubare Elektronik ist so konzipiert, dass sie sich nach ihrem Einsatz sicher auflöst. Das reduziert den Elektroschrott und ermöglicht temporäre Implantate (z.B. in der Medizin). Mit diesem Ansatz wird das stetig wachsende Elektronikmüll-Problem angegangen, einer der am schnellsten ansteigenden Abfallströme weltweit.

  • Biopolymer-Substrate: Seide, Zellulose und andere natürliche Polymere bieten flexible, biokompatible Substrate. Diese können auch so hergestellt werden, dass sie sich auf Befehl auflösen, womit die Lebensdauer eines Geräts beherrscht werden kann.

  • Anwendungsfälle: Temporäre Implantate und Umweltsensoren, die nach Erfüllung ihres Zwecks verschwinden. Sowohl im Gesundheitswesen als auch bei der Umweltüberwachung entfallen dadurch kostspielige Aufwendungen zur Wiederbeschaffung oder Entsorgung.

Fortschritte bei abbaubaren, elektrischen Leiterwerkstoffenn und kontrollierbare Lebensdauern ermöglichen den zeitlich befristeten Einsatz sowie die selbständige Entsorgung von elektronischen Geräten. Damit können Geräte den Anforderungen medizinischer Behandlungen oder Feldüberwachungsaufgaben entsprechen, ohne Rückstände zu hinterlassen. Das Gleichgewicht zwischen Performance, Robustheit und sicherem Abbau bleibt jedoch noch Problem und eine zentrale Herausforderung zugleich. Forscher sind auf der Suche nach Polymeren, welche die elektrische Stabilität herkömmlicher Kunststoffe mit vorhersehbaren und unbedenklichen Abbauszenarien kombinieren.

Vier transparente, neongrüne Biopolymer-Würfel auf einer dunkelgrünen Oberfläche

Zukunft der Biopolymere

Der Klimawandel wird die Nachfrage nach nachhaltigen Materialien erhöhen und Biopolymere aufgrund ihrer geringeren Kohlenstoffbilanz und biologischen Abbaubarkeit als Ersatz für Kunststoffe auf fossiler Basis positionieren.[7][8]

Das Angebot an Rohstoffen und Kosten werden die Massenproduktion stark beeinflussen. Landwirtschaftliche Reststoffe, Algen oder Abfälle aus der Fischerei können das Angebot erweitern.[9][10][11]

Zukünftige Innovationen umfassen:

  • Landwirtschaft—Nanokapselung: Mikrokapseln für die präzise Abgabe von Nährstoffen oder Mikroben. Diese Kapseln schützen empfindliche Bioaktivstoffe, bis sie die Wurzelzone der Pflanze erreichen, und verbessern so die Widerstandsfähigkeit gegen Trockenheit und Schädlinge.

  • Weichmacher-Bio-Zusatzstoffe: Sichere, erneuerbare und verbesserte Weichmacher. Im Vergleich zu Weichmachern, die aus Erdöl gewonnen werden, bieten sie außerdem eine bessere Kompatibilität mit Materialströmen im Recyclingprozess.

  • Bioresorbierbare Elektronik-Therapie: Temporäre Nervenstimulatoren, die sich nach der Heilung wieder auflösen. Dadurch werden Folge-Operationen vermieden, was die Genesung des Patienten beschleunigt und gleichzeitig den Verbrauch von Krankenhausressourcen senkt.

Biopolymere in der Solarpunk-Stadt

Biopolymere haben das Potenzial, das tägliche Leben zu revolutionieren, von biologisch abbaubaren Verpackungen bis hin zu umweltfreundlicher Landwirtschaft und medizinischen Geräten. In der Landwirtschaft reduzieren sie Abfälle und bereichern die Böden; in Textilien verringern sie den CO2-Fußabdruck der Mode-Industrie; in der Elektronik und im Gesundheitswesen ermöglichen sie vorübergehende, umweltfreundliche Lösungen. Die Substitution fossiler Kunststoffe durch erneuerbare, abbaubare Alternativen unterstützt die Kreislaufwirtschaft und stärkt die Klimaresilienz. Mit den sich bereits abzeichnenden breitgefächerten Anwendungsmöglichkeiten und weiteren Forschungsarbeiten in Sicht werden Biopolymere ein entscheidender Baustein sein, um die erfolgreiche Transformation voranzubringen, wie wir in nachhaltigen SOLARPUNK-Städten bauen, leben und heilen.

Quellen:

[1] pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8912672/
[2] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8912672/
[3] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9919854/
[4] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0959652620310258
[5] https://www.cas.org/resources/cas-insights/biopolymers-manufacturings-latest-green-hero
[6] https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2017/cs/c7cs00149e
[7] https://www.nature.com/articles/s41467-025-62877-6
[8] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0957582024006359
[9] https://www.european-bioplastics.org/bioplastics-market-development-update-2024/
[10] https://www.european-bioplastics.org/bioplastics/feedstock/
[11] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666498423000194

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